Lustiger Lebenslauf

25.12.2003

Es begann alles damit, daß ich geboren wurde. Damals war ich noch sehr jung.


Als ich ankam, waren meine Eltern gerade ausgegangen, - der Ofen auch. Sie waren gerade aufs Feld gegangen, um Kraut zu holen. Es war zwar nicht unser Feld, aber wir holen unser Kraut immer dort. Mein Vater sagt immer, wer im Sommer Weißkraut klaut, hat im Winter Sauerkraut. Auf dem Tisch lag nur ein Zettel : "Die Milch steht auf dem Ofen !". Meine Eltern waren adelig ! Mein Vater war ein "auf und davon" und meine Mutter war eine geborene "von der Bundesbahn". Das war so auf unserem Handtuch zu lesen. An das Handtuch erinnere ich mich noch genau, es STAND immer gleich hinter der Küchentür.


Wir waren so arm, daß bei uns sogar die Mäuse mit verweinten Augen herumliefen. Der Vater hatte viele Schulden. Er sagte immer: "Wer mich mahnt, dem bezahle ich nichts und wer mich nicht mahnt, bei dem warte ich so lange, bis er mich mahnt!". Wenn einer kam und wollte Geld haben, so lachten wir nur. - Wir kamen aus dem Lachen gar nicht mehr heraus! - Zur Zeit aber sitzt mein Vater im Gefängnis - wegen seines Glaubens. Er glaubte nämlich, die Miete nicht bezahlen zu müssen.


Ich war nicht alle Kinder, wir waren 8 Geschwister, 5 Jungen, die hießen alle Paul, nur Fritz nicht, der hieß Otto, 2 Mädchen und ein Blindgänger. Vielleicht sollte ich hier mal kurz meine Familie vorstellen? Bei dieser großen Familie war es mit dem Schlafen schwierig, wir hatten ja nur 2 Betten. In einem schliefen die Eltern, das andere mußten wir uns teilen. Das ging so: war einer eingeschlafen, wurde er an die Wand gestellt, dann konnte der nächste sich hinlegen. Einmal habe ich 1 Woche an der Wand gestanden, das ist gar nicht aufgefallen. Eine Uhr zum Wecken besaßen meine Eltern nicht. Wir bekamen zwei Eimer in die Kammer, wenn diese voll waren, war es früh. Die Wohnung war ohnehin sehr eng. Mutter mußte in der Küche die Pfannkuchen immer hochkant braten. Unser Dackel hatte es auch nicht leicht, aus Platznot haben wir ihm beigebracht, immer auf und ab zu wedeln, statt hin und her. Unser Zuhause lag in einem sehr kleinen Ort, er wird nicht bekannt sein. Er heißt Kleinen- Radebergerpilshofhausendorf. Er war so klein, daß wir nur eine halbe Vorwahlnummer von der Post bekamen.


Mit dem Essen war es ähnlich. Bei uns gab es immer Suppe. Morgens und Mittags Suppe. Abends hängten wir dann unsere Bäuche über den Ofen und wärmten die Suppe von Mittags wieder auf. Unsere kleineren Geschwister wurden mit Trockenmilch ernährt. Man brauchte sie daher nur abzustauben.


Meine Geschwister haben alle Karriere gemacht. Mein erster Bruder wurde Oberpfadfinder. Im Finden war der große Klasse! Der fand Sachen, die hatten andere noch gar nicht verloren! Mein zweiter Bruder war Sänger. Allerdings sang(k) er mit der Zeit immer tiefer. Jetzt brummt er seit 3 Jahren. Mein dritter Bruder ist Verwandlungskünstler. Er geht mit einem alten Mantel ins Café und kommt mit einem neuen wieder heraus. Mein vierter Bruder ist Klempner, was er am Tag klemmt, wird am Abend wieder verlötet. Der fünfter Bruder ist im Stadtbad angestellt, er steht dort als Brause, weil er einen Wasserkopf hat.

Meine Schwestern sind beide sehr schön. Die Ältere hat schon von Jugend an auf ihre Zähne viel Wert gelegt. Sie sahen immer ganz goldig aus. Sie hat sogar zwei Zahnbürsten, für jeden Zahn eine. Die andere Schwester legte Wert auf ihre Schlankheit. Sie ist so schlank, die muß mindestens zweimal ins Zimmer kommen, damit man sie überhaupt sieht. Sie hat auch Probleme beim Duschen, sie muß immer von Strahl zu Strahl springen, um nass zu werden. Jetzt hat sie Zwillinge bekommen. Die sehen sich sehr ähnlich, besonders der eine.


Mit sechs Jahren kam ich in die Schule, es war eine Hochschule, denn sie lag 630 Meter über dem Meeresspiegel. Meist kam ich zu spät, dafür durfte ich länger als die anderen bleiben. Manche Klassen durfte ich mehrmals besuchen, dies lag bestimmt daran, das mich die Leherer so gerne hatten. Die anderen Kinder mußten immer in die nächste Klasse.


Einmal fragte der Lehrer: "Wenn ihr beim Schlachter 50 Euro, beim Bäcker 40 Euro und beim Krämer 80 Euro Schulden habt, wieviel ist das dann zusammen?" Da sagte ich: "Das weiß ich nicht, dann ziehen wir immer um!" Ein andermal wurden wir gefragt, welchen Beruf Goethes Faust hatte. Als sich wirklich keiner gemeldet hatte, sagte ich: "Schneider, Herr Lehrer!" Mein Lehrer fragte mich, "Warum?" Ich sagte: "Als er zur Grete ins Zimmer kam, rief er: "Hier möchte ich säumen!" Einmal hatten wir eine Intelligenz - Prüfung. Unser Lehrer sagte, wer eine Aufgabe löst, braucht die zweite nicht zu beantworten. Er fragte mich, wieviel Haare ein Esel hat. Ich sagte: "118 mal 675432 Stück." Da wollte er wissen, woher ich das weiß. Ich antwortete: "Das ist bereits die zweite Frage, und diese brauche ich nicht mehr zu beantworten."


Brachten wir Kinder gute Schulzeugnisse nach Hause, bekamen wir 10 Cent für die Spardose. Bei schlechten Zeugnissen gab es mit dem Teppichklopfer Prügel. War die Spardose voll, wurde ein neuer Teppichklopfer gekauft....

Also mit dem Geld geht es mir heute noch so. Unlängst mußte ich meinen Ofen versetzen, damit ich mir Brennmaterial kaufen konnte! Ich hatte gestern noch 10 Euro. Dafür habe ich mir eine Geldbörse gekauft, und das Geld war wieder weg.


Durch die schlechte Finanzlage meiner Familie war ich gezwungen, gleich nach der Schule einen Beruf zu ergreifen. Mit 14 Jahren sollte ich etwas lernen. Meinen Beruf hatte ich eigentlich verfehlt. Ich hatte Schuster werden sollen, weil ich mit einem Leistenbruch auf die Welt kam.


Nach der Schule kam ich in die Lehre bei einem Schlachter. Dort hatte ich es gut. Ich nahm jeden Abend ein paar Suppenknochen mit nach Hause. Ich hatte mir ganz fest vorgenommen, ihn auch mal irgendwann um Erlaubnis zu fragen. Als ich den Meister beim Wurst machen sah, sagte ich: "Wenn das rauskommt, was da reinkommt, dann kommen Sie wo rein, wo Sie nie wieder rauskommen. "Da warf er mir seine Hand ins Gesicht. Ich wurde entlassen, bekam aber ein gutes Zeugnis Er schrieb mir dann in mein Zeugnis: " Er war immer ehrlich bis auf die Knochen."


Nun kam ich zu einem Schmied in die Lehre. Das war ein sehr wortkarger Mann. Als ich am ersten Tag mit einem schüchternen "Guten Morgen" in die Werkstätte kam, sagte er nur: "Das ist der Amboß, und das ist der Vorschlaghammer. Wenn ich mit dem Kopf nicke, schlägst du zu!" Er hat nur einmal genickt, und vier Tage später war das Begräbnis.


Nun versuchte ich es bei einem Fotografen. Dort konnte ich mich recht entwickeln, denn mein Chef fixierte mich immer. Einmal kam eine Dame zum Fotografen, die wollte, das ich ihre Familie vergrößere. "Nein,", sagte ich," das mag mal der machen, der damit angefangen hat."


Ich habe jetzt auch schon ein Handy. Gestern versuchte ich mich anzurufen, aber ich habe mich nicht gemeldet, jetzt weiss ich aber nicht: War ich nicht zu Hause, oder wollte ich bloss nicht mit mir sprechen. Ich habe seither Momente, da kann ich mich selbst nicht ausstehen. So ging es mir neulich. Ich hatte so eine Wut auf mich, daß ich mich auf der Straße stehen ließ und einfach weiter ging. Ich habe mich noch einmal nach mir umgesehen, aber ich war schon weg. Wenn man selbst nicht mehr weiter weiß, dann geht man zur Polizei. Mein Vorgesetzter sagte: "Bis zu diesem roten Punkt müssen sie gehen". Ich zog los. Nach 16 Tagen kam ich wieder zurück. Es war das Schlußlicht eines Fernlasters, der aus Hamburg kam.


Ja, so war mein bisheriges Leben. Den Rest meines Lebens erzähle ich dann, wenn ich gestorben bin.